Sonntag, 7. April 2013

Die Insel - Ausgabe 2012


Das Periodikum „DIE INSEL – Zeitschrift des Vereins Museum Elbinsel Wilhelmsburg“ erscheint einmal im Jahr. Seit Kurzem ist die Ausgabe 12 im Handel. Herausgeber ist der Museums-Verein, bei dem zahlreiche Ehrenamtliche mitwirken. Auf einer Seite werden u.a. die 14 (!) Mitglieder des Vorstandes des „Museum Elbinsel Wilhelmsburg e.V.“ aufgelistet. Erstaunlicherweise gibt es auch noch einen „Förderverein Museum Elbinsel Wilhelmsburg e.V.“, von dessen 3 erwähnten Vorständlern zwei auch im Vorstand des zuvor erwähnten Vereins sind. Transparenz ist gut – aber weshalb gleich 2 Vereine? *** Zu den einzelnen Texten: Edda Teneyken, festangestellte Redakteurin des Wochenblatts „Der Neue Ruf“, berichtet über die Geschichte des Ortsteils Neuhofs. Karl Klee, 1973 geborener Diplom-Sportwissenschaftlicher, porträtiert auf 14 Seiten (incl. einiger Fotos) den im Bahnhofsviertel aufgewachsenen HSV-Spieler Ernst Seikowski (1917-1986). Der Artikel (bereits Teil 2) ist m.E. gut recherchiert und lesbar. Er dürfte, auch aufgrund des Themas, etliche Leserinnen finden, zu Recht - gerade die Geschichte einzelner Menschen darf im Mittelpunkt stehen. Auch der nächste Artikel (S. 37-44) von Astrid Christen: „Dicht am Wasser gebaut“, dürfte auf Interesse stoßen. Es geht um „den Abschied von der Stackmeisterei an der Bunthäuser Spitze in Moorwerder und ihre Bedeutung für Hamburgs Entwicklung“. Für Binnenbewohner: Eine Stackmeisterei ist zuständig für „Wasserbau“, sprich die Befestigung, Reparatur etc. von Uferbefestigungen. Auch dieser Artikel scheint mir gut durchdacht und pointiert illustriert durch etliche Fotos. * Der Bericht „Polnisch sprechende Migranten und die katholische Kirchen-gemeinde St. Bonifatius – Ein historisches Beispiel zum Thema „Integration von Aus-ländern“ von Ulrich Krieter umfasst gar 16 Seiten –davon allein 3 Seiten Fußnoten. Wieder ein sehr genauer, umfangreich recherchierter Artikel. Ein wichtiges Stück der Geschichte der Elb-Insel wird hier dargestellt. Klaus Meise schreibt über einen schweren „Giftgas-Unfall am 20. Mai 1928“ (10 Tote, zahlreiche Verletzte). Damals gab es eine Phosgen-Explosion bei der Chemischen Fabrik Stoltzenberg. Meise beschreibt die Geschichte bis 1979, als die Fabrik endlich aufgelöst und das Gelände entseucht wurde. Die Angelegenheit war ein politischer Skandal, bei dem „acht beteiligten Beamten, die die behördlichen Auflagen ungenügend überwacht hatten,“…ein Disziplinarverfahren erspart“ blieb. (S. 65).Zwei weitere kurze Artikel sind Kindheitserinnerungen zweier Wilhelmsburger-innen gewidmet. ** Zum Inhalt des Heftes gehören Fotos der auf 2 Seiten ausgebreiteten Schenkungen, mit denen der Fundus des Museums erweitert wurde. *** Die Insel enthält auch den 2-seitigen Artikel „Die „Welt der Religionen“ auf der Gartenschau“ der evangelischen Pastorin Corinna Peters-Leimbach. Dieser Bericht ist von der Tendenz her einseitig und beschönigend; eine heile Welt wird ausgebreitet. Verschwiegen wird, daß dieses angeblich hehren, wenn nicht heiligen Zwecken dienende Gartenschau-Gelände den Wilhelmsburgern, die dort jahrzehntelang täglich freien Zugang hatten, seit mehr als anderthalb Jahren verschlossen ist. Ab Ende April zahlen wir –bei lächerlichen 3 Tagen freien Eintritts- 17 bis 21 € Eintritt. Der Pastorin Corinna Peters-Leimbach ist diese Tatsache sicher bekannt, genauso wie der Umstand, daß den erwarteten 100.000 Besuchern des ev. Kirchentages Anfang Mai einen Tag freier Eintritt gewährt wird. Sie erwähnt dies mit keinem Wort. Hier werden clever Macht-Interessen der ev. Kirche mit denen der igs, sprich: dem Hamburger Senat und den herrschenden Parteien, verknüpft. Dem Kirchentag werden quasi 2 Mill. € geschenkt – auf der anderen Seite sind Politik und Behörden extrem geizig und streng, wenn es um die Bedürfnisse der einfachen Bevölkerung geht. Wo steht die ev. Kirche?, frage ich mich. Der Artikel wirkt auf mich wie Selbstbeweihräucherung. *** Im Rückblick auf das Jahr 2012 beschreibt Claus-Peter Rathjen, der für Kulturprogramm und Pressearbeit zuständig ist, ausführlich einige Veranstaltungen, besondere Besuche und das Engagement ausgewählter Personen. Er vergisst nicht, dem „Elbe Wochenblatt“, dem „Neuen Ruf“, dem „Wilhelmsburger Insel-Rundblick“, „Hamburger Abendblatt“ und diversen TV-Anstalten für ihre Unterstützung (Berichte etc.) zu danken. Bei diesen unterstützenden Medien handelt es sich, bis auf den Wilhelmsburger Insel-Rundblick, um Medien mit bezahlten Mitarbeiterinnen. Ich meine, auch die Künstler, die für kleine Gage im Museum auftraten, haben Dank verdient. Zumindest einen kenne ich, der für wenig Geld las – und nicht nur für sich selber, sondern auch für das Museum und seine Besucher. *** Fazit: Ein insgesamt lesenswertes, interessantes Heft. Die inhaltliche Ausrichtung ist durchaus konservativ. Vielleicht ist dies bei einem musealen Zwecken dienenden Periodikum naheliegend. Wir dürfen gespannt sein, wie die Ausgabe für 2013 aussehen wird. Wenn auch in der nächsten Ausgabe die teilweise katastrophalen Folgen der igs, IBA und Gentrifizierung im Allgemeinen mit keinem Wort (!) erwähnt werden, werden sich die Verantwortlichen dem Vorwurf der Einseitigkeit oder Beschönigung stellen müssen. – Wie wäre es mit einem Artikel über die Wilhelsmburger Schrebergarten-Kultur, inclusive der Vertreibung von mehreren hundert Parzelleninhabern durch IBA und igs? Wie wäre es mit einem Bericht über Wilhelmsburger Künstler-Innen, inclusive massivster Einflussnahmen durch die IBA auf die hiesige Kreativ-Szene? *** Ich möchte nicht nur guten Kuchen essen im Cafe Eleonore (ich bloggte schon darüber), sondern Menschen treffen, die für ihren Stadtteil aktiv sind und dabei massive Eingriffe von Außen nicht einfach geflissentlich ausblenden. Die Zeitung „Der Neue Ruf“ betreibt kaum etwas anderes als Hofberichterstattung für die Gentrifizierung. Auch das Wochenblatt steht diesbezüglich kaum nach. Es gibt in Wilhelmsburg noch andere, kritische Berichterstattung. Allein dadruch, daß sie nicht staatlich und nicht kommerziell ist, wird sie nicht schlechter oder inkompetent.    meint    **RS**
     

Keine Kommentare: