Donnerstag, 27. Dezember 2012

Wanze # 11

Vor mir liegen 2 Ausgabe der A5-formatigen ZEITSCHRIFT bzw.: des FANZINE „Die Wanze“.  Der Name ist doppelsinnig zu verstehen, zum Einen jenes Insekt meinend, das sich ungezügelt vermehrt und in Küchen und Speisekammern anzutreffen ist, wo es jedoch eher im Verbor-genen lebt.. Wanzen gelten als intelligent und anpassungsfähig.. Die andere Bedeutung von Wanze ist Abhörgerät. „Die Wanze“, Untertitel „Newsletter der Social-Beat-Bewegung“, war, mit ironischem Understatement, eine Art Zentral-Organ. Die wechselnden Herausgeber gewährten sich gegenseitig Spielraum in diesem Dichter- und Literaten-Magazin, mißtrauten sich aber auch gleichzeitig. Nach dem Leninschen Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.  Offenheit ist erwünscht – aber bilde dir nicht ein, daß du mir ein X für ein U vormachen kannst. * Als ich zur social beat-BEWEGUNG stieß, im Sommer 1995, hatte der SB schon einige Jahre im UNDERGROUND agitiert, gelebt, sich geräuspert, Filialen in Deutschland gebildet, Festivals organisiert und gegen die „offizielle“ Literatur-Szene  von Unten gestänkert. Soweit die Kraft dazu und ein echter Glaube an das Andere vorhanden war. * Die Wanze # 11, das Cover-Blatt auf grünem, die übrigen 60 Seiten auf beigem, rotem, hell-grünem usw. Papier gedruckt, erschien ca. im Herbst 1996/97. Ich hatte es geschafft, nach einem Jahr, in einen erlesenen Kreis aufgenommen zu werden. Die Auflistung von SB-Aktivi-täten umfasst insgesamt 68 Orte, bis auf wenige schweizer, öster-reichische und eine portugie-sische alle in Deutschland. Genannt werden Personen, Zeitschriften, Verlage, Gruppen. Unter „Hamburg“ werden Christian Buhl und die von ihm edierte ZS HUNDSPOST aufgelistet, außer-dem meine ZS herzGalopp sowie mein Name, außerdem Yves dos Santos und seine Edition rausch!TAPES. Für C.Buhl organisierte ich eine Lesung in der Buchhandlung Lüdemann in Wi-burg. Der Kontakt hielt nicht lange – die ZS wurde bald eingestellt. CB konzentrierte sich auf sein Studium und später auf seinen Rechtsanwalt-Beruf. Y.d.Santos traf ich ein paar mal, bevor er nach Portugal emigrierte. Er stellte ein paar interessante Collagen her, seine Geräusch-Kassetten überzeugten mich nicht. Er sah in mir eine Art Beat-Spießer. Die Wanze # 11 enthält etliche Ztg.-Artikel, essayartige Berichte, Rezensionen, Leserbriefe, Texte und Grafiken bunt gemischt. Von mir selber ist ein knapp anderthalb  Seiten langer „Rückblick auf das Social Beat  & Act-Festival Münster 1-4-11-1996“  abgedruckt. Ich staune über mich selber, wie klar ich mich ausdrückte, und dabei die Komplexität des Ganzen im Auge hatte.  Eigen-Zitat S. 19: „Ich bin viele Jahre nicht mehr in Polit-Gruppen gewesen und habe bewußt Distanz zu ihnen gehalten. Nicht, weil ich mich als unpolitisch begreife, sondern weil ich die Auseinandersetzung damals, das ganze Mit- und vor allem Gegen-einander in diesen Gruppierungen, als (für mich) LETZTLICH UNFRUCHTBAR, UNBEFRIEDIGEND, IRGENDWIE STERIL EMPFUNDEN UND ERLEBT HABE: Es fehlte das ganz Persönliche, Herzliche, Gefühlsmäßige. Rationalität ist mitunter sehr wichtig, aber ich habe nicht nur einen Kopf, sondern auch Bauch und unterleib, die ich aber in meine Polit-Arbeit in den 70-er Jahren nie habe integrieren können (FAST nie). Ich denke, social act + beat ist ein Feld, um politisch zu sein UND zugleich auch privatere, intimere Dinge darzustellen und einzubeziehen (was wohl nur gelingen kann, wenn es so etwas wie einen Schutzrahmen gibt).“ ::: Die hier von mir vor 16 Jahren vertretene Position und die aufgeführten „Inhalte“ decken sich größtenteils mit dem, was ich heute in Wilhelmsburg an der Polit-Szene vermisse und erlebe. – Der gesamte Leserbrief (1996) von mir kann (demnächst!) nachgelesen werden auf der Web-site „Wilhelmsburger Kunstbüro & Freunde“ http://kunstbuero-wilhelmsburg.com/. Herausgeber der WANZE # 11 war der LICHTERLOH-Verlag in Leipzig.  *** Vielleicht ist diese Zeit zum Jahres-Ende eine gute Gelegenheit, nicht nur 2012 Revue passieren zu lassen, sondern auch andere Dinge-Ereignisse-Bewegungen in Erinnerung zu rufen. Einige Projekte sind, gemessen an den Zielen und hohen Erwartungen, gescheitert. Waren aber nicht sinnlos. Bei mir zumindest trugen sie zur Bewußtseins-Bildung bei. Ich blieb auf der Loser-Seite, machte aber Erfahrungen und bekam Anregungen, die mich lebendig hielten.                  **RS**

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