Mittwoch, 18. November 2015

Funktionierst du? Nur?

Es gibt Menschen, die Angst haben, NICHT zu funktionieren. Das kapitalistische System in diesem Land verlangt, daß "man funktioniert". Wer "funktioniert", ist Teil eines großen gesellschaftlichen Apparates bzw. einer gigantischen Maschinerie.  Zu ihr gehören handwerkliche, Dienstleistungs-, Verwaltungs-, mediale, medizinische, polizeiliche, militärische, politische, Unterhaltungs- und andere Aufgaben und Tätigkeiten.
Es gibt Menschen, die funktionieren einfach, ohne sich den Kopf zu zerbrechen oder das System zu kritisieren.
Es gibt darüber hinaus eine Sorte Menschen, die einsieht, daß es nützlich für einen selber sein kann, zu funktionieren. Gewisse Vertreter dieses Menschen-Typs wollen aber mehr. "NUR" zu funktionieren, reicht ihnen nicht.
Solche Menschen trifft man an der Universität, in Künstler-, Studenten- und Intellektuellen-Kreisen, in den Redaktionen mancher Zeitschriften, Zeitungen, Radio- und TV-Sender.
Ich gehöre auch zu dieser Sorte Menschen.
Bei mir fing das Nicht-Funktionieren mit der Pubertät an. Ich wollte mehr sein als nur ein "Rädchen im Betrieb". Es sah so aus, daß meine Mechanismen ungeeignet waren für das große Übergeordnete, in das ich hineingeboren war und in dem ich mir durch Ausbildung und Beruf einen bestimmten Platz erarbeiten oder erkämpfen sollte.
Erarbeiten? Ich hatte keine Lust zu arbeiten.
Erkämpfen? Klang schon verlockender. Es entsprach meinem Bild von mir, ein Kämpfer zu sein. In den 70-er Jahren, als ich Pädagogik studierte, "standen die Zeichen gut" für Leute, die mehr wollten als "nur" zu funktionieren. An der Univeresität dominierte politischer Kampf.
Heute, 2015, hat sich der Betrieb an der Uni vollständig geändert. Durch die Regelstudienzeit und erhöhte Disziplinierung ist der Spielraum, sich während des Studiums mit anderen Dingen als dem eigentlichen Studium-Inhalt zu befassen, relativ klein geworden.
Ich fand den oben abgebildeten Aufkleber auf einer Rückenlehne in einem Hörsaal an der Hamburger Uni.
In den 70-er Jahren fühlte ich mich deplaziert als Student. Neurotisch. Unsicher. Außenseiter. Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, kompensierte ich mit politischer Arbeit.
Ich versuchte, nicht zu funktionieren.
*** Wenn man von einem Menschen alle gesellschaftlichen Funktiunen abschneidet bzw. subtrahiert, bleibt ein Rest.
Ein kleiner, winziger schwebender Zustand, auf den niemand Zugriff hat außer das jeweilige Individuum.
                                                                                                                                                    *RS*    

Keine Kommentare: