Ende März las ich einen Bericht im Abendblatt. Eine Frau eröffnet eine Galerie mit "Cheap Art". Auf der Website "schanzen-lounge.de" fand ich übermalte Fotos auf umgestalteten Tragetaschen und in Holzkästen gesetzte Figuren. Schlichte, aber aussagekräftige Assemblagen zu den Themen "Hafen" und "Pop-Musik". Interessant - und zu erschwinglichen Preisen: Ab 30 €uro! Geradezu elektrisierend fand ich den Hinweis, daß sie Schöpferin dieser Werke zuvor schon andere kreative Projekte durchführte, um sich dann für einige Jahre nach Indien zu begeben und dort Meditations-Techniken zu erlernen. Ich bin kein Meditations-Freak, aber Menschen, die aus dieser Gesellschaft aussteigen, und sei es nur vorübergehend, interessieren mich. Da ich selber schon Ausstellungen machte, auf denen ich Porträts von Pop-Sängern und Beat-Gruppen zeige (im "Rick's Cafe" in der Fährstraße hängen noch einige Werke), wollte ich die Künstlerin persönlich kennen lernen. * Mittwoch nahm ich mir Zeit und setzte mich in die S-Bahn zur Stern-schanze. Im Gepäck u.a. ein Exemplar des "Pimp your Rollstuhl"-Kalenders. Wir haben zwar schon Mitte Mai, aber bevor die restlichen Kalender im Schrank verfaulen, ver-schenke ich sie lieber. * Schnell fand ich die SchanZEN-Lounge in der Susannenstr. 21 (Hinter-hof). Ich hatte bereits meine Kamera in der Hand und wollte ein Bild machen - da sah ich eine Frau neben dem Eingang sitzen. Offenbar die Künstlerin und Galeristin. "Darf ich ein Foto machen?" fragte ich. "Nein", lautete die Antwort. "Wer sind Sie überhaupt?" "Ein Künstler, der u.a. Berichte fürs Internet schreibt". Begeistert wirkte die Galeristin nicht, aber ich durfte nun fotografieren. Mit den Worten "Ich bin durchaus seriös" versuchte ich die Abwehr der Frau zu unterlaufen. Offenbar schätzte ich die Situation falsch ein. Die Frau quittierte meine Be-merkung mit schallendem Gelächter. "Ich führe hier auch Lach-Meditationen durch", konterte sie mein Stirn-Runzeln. Dieses Angebot fand ich nicht verlockend. Ich lache gern - brauche dazu jedoch einen Anlaß. Nun zog ich den Kalender aus dem Rucksack. Die Frau blätterte zwei drei Seiten um. "Nein danke, möchte ich nicht geschenkt haben". Na gut - oder auch schlecht. Ich packte das Teil wieder ein. "Möchten Sie nicht meine Builder sehen?" Nein danke. Sie gefallen mir, aber ich kenne sie bereits von der Website. ... So zog ich wieder von dannen. Am Bahnhof kaufte ich zwei Schalen frische Himbeeren. "Man gönnt sich ja sonst nichts" (hahaha). Der Ver-käufer war äußerst mürrisch und nicht an einem Plausch interessiert. * Auf der Rückfahrt kostete ich von den zarten Früchten. So gesehen war die Fahrt nicht umsonst gewesen. Aber diese Künstlerin ... hatte sie einen schlechten Tag? oder ist sie immer abweisend gegenüber Leuten, die sie nicht kennt? Oder war sie einfach genervt von der Situation im Viertel? Die Schanze ist, bis auf die Rote Flora, durch-gentrifiziert. Cafe-Besucher und Touristen-Massen verstopfen die Straßen. Ich hoffe, daß die Menschen auf der Elb-Insel nicht auch demnächst so seltsam drauf sein werden. In absehbarer Zeit werden auch wir, im Gefolge von IBA und igs, von Menschen-Massen überrollt werden. * Ich steckte mir noch eine Himbeere in den Mund. Mir gegenüber saß ein Pärchen. Das Mädchen zwinkerte mir zu. Ich hielt ihnen die Plastikschale hin. Vorsichtig nahmen sie von den Früchten und lächelten und lutschten. *R.S.*
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