Montag, 19. Dezember 2011

PRP: Welche Bedürfnisse?


Bei der Demo gegen den Zaun um das igs-Gelände in Wilhelmsburg waren verschiedene Grup-pierungen zugegen, die Info-Blätter und Broschüren auslegten. darunter befand sich auch das Projekt Revolutionäre Perspektive mit dem Heft "Vorbei an den Bedürfnissen - Städtische Umstrukturierung im Interesse des Kapitals" (12 A5-Seiten). Die Autoren analysieren kritisch und mit aus ihrer Sicht schlüssigen Argumenten die Gentrifizierungs-Maßnahmen, mit denen die Elb-Insel in besonders krasser Weise seit Jahren überzogen wird. Es gibt Widerstand gegen die massive Umstrukturierung, aber er ist bisher so schwach, daß die Nadelstiche, die den Gentrifizierern versetzt werden, wohl nicht verhindern, daß alle großen Bauvorhaben wie geplant durchgeführt werden. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung verhält sich (bestenfalls) indifferent gegenüber den Maßnahmen. Es ist auch nicht damit zu rechnen, daß er sich politisieren läßt und in nennenswertem Umfang an Demonstrationen und anderen Formen des Protests und Ungehorsams teilhaben wird. Nach meiner Einschätzung (ich wohne seit gut 25 Jahren auf der Elb-Insel) sind die meisten BewohnerInnen resistent gegen parteipolitische Versuche, sie aus der Reserve zu locken. Vor 10 Jahren war Wilhelmsburg Hochburg der Schill-Partei. Viele Insulaner zeigten sich als Protest-Wähler, die sowohl von SPD als auch CDU, Grünen, FDP usw. die Schnauze voll hatten und deshalb emotional wählten. Nicht als (verkappte) Nazis, sondern weil sie es leid waren, daß auf ihrem Rücken irgendwelche Leute, die nicht im Stadtteil leben, aber genau zu wissen vorgeben, was für "die Wilhelmsburger" gut sei, Konzepte entwickelten und damit experimentierten. Also nicht nur aus ökonomischen Gründen (: die zentrale Lage, Hafenerweiterung etc), sondern auch aus politisch-psycholo-gischen Erwägungen wurde Wilhelmsburg auserkoren als große Erxperimentierfläche. Die bürgerlichen Parteien bekamen den "sozialen Brennpunkt" Wilhelmsburg/Veddel nie richtig in den Griff, da die Menschen sich als wenig kooperativ und für das modellhafte Denken der Stadtplaner wenig kompatibel zeigten. Da war es ein sehr cleverer Schachzug, mehrere Jahre lang (bis 2009) Studenten 100 € monatlich Ermäßigung für die Zimmer-Miete anzubieten. GWG/SAGA waren problemlos für dieses Vorgehen zu instrumentalisieren. So gab es tatsächlich einen Wandel in der Bevölkerungs-Struktur. Zum Glück ist von den alten Bewoh-nern, deutschen und migrantischen Dickschädeln und Querköpfen, der größte Teil noch geblie-ben. * Was Versuche betrifft, die Bewohnerinnen zu politisieren, bin ich skeptisch. Sie wollen sich vor niemandes Karren spannen lassen. Sie träumen von keiner Revolution. Viele träumen nicht mal mehr von einem festen Arbeitsplatz. Sie wollen in Ruhe gelassen + nicht ideologisch vollgequatscht werden. Die Wilhelmsburger wollen Freundschaften pflegen, Beziehungen, ins Fitness-Studion gehen und einen eigenen Wagen fahren, zu Weihnachten einen neuen größeren Flachbildfernseher anschaffen; zu saufen gibts auch ne Menge; die Kommunikation ist direkt und unverblümt; IBA und igs gehen den meisten am Arsch vorbei, die Proteste dagegen übrigens genauso. Die Wi.burger waren und sind auch nicht besonders für "Kunst und Kultur" zu begeistern. Auch wenn es unzählige sogenannte "Kulturvereine" gibt. Die Versuche der IBA, die Reserviertheit mit der Brechstange zu knacken, kann nur scheitern. Diese ganzen -ich nenne sie Erziehungsmaßnahmen- scheitern auch deshalb, weil unser Staat und seine Institutionen nicht in der Lage sind, den Bürgern entgegenzubringen, was sie wirklich schätzen. Dazu zählt auch Respekt. Ich verstehe viele Wilhelmsburger. Denn auch mir wird, wie ihnen, von staat-lichen Stellen kein Respekt entgegengebracht. *R.S.*

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