Dienstag, 3. Juli 2012

Gefälligkeits-Journalismus


In der Süddeutschen Zeitung (SZ) erschien vorletzte Woche ein Artikel mit der Überschrift „Explorie-re, Künstler!“  Es ging darin um Kunstjargon(s) bzw. Schreiben über Kunst nach vorgegebenen For-meln. Dies sei, so die These des SZ-Autors Peter Richter, in diesem Land seit Längerem nicht  Ausnahme, sondern Regel: „Wer einen Text haben will, der nach 2012 klingt, verwendet am besten die Verben „erforschen“, „analysieren“, „reflektieren“ und adressieren“, ein paar kernige deutsche Sub-stantivierungen auf –ung, ... irgend etwas ... von am besten Debord, Foucault, Deleuze ..., dann alles einmal ordentlich durchgendern /“Rezipient_innen“), und fertig.“  Ich bin neidisch auf die SZ, den Autor P.Richter und das Problem, das er andeutet. Es handelt sich da um ein Luxus-Problem, scheint mir... – Ich lese seit etlichen Jahren Texte über die Wilhelmsburger Kunst- und Kultur-Szene. Seit IBA und igs sich breit machen, haben sich besagte Artikel explosionsartig vermehrt. Sprachlich gesehen erkenne ich keine Entwicklung, Steigerung, Differenzierung bzgl. Genauigkeit in der Beschreibung und den Begriffen. Von Wort-Erfindungen oder Geistesblitzen ganz zu schweigen. In diesem Stadtteil werden, IBA hin, igs her, Kunst und Künstler und ihre Beurteilung auf den sozialen Aspekt reduziert. Platter geht’s nicht. Wer sich „wohl“ verhält und sich „sozial“ nach außen gibt, ist gut. Ästhetik "als solche" –damit meine ich einen Diskurs auf einem Niveau, das a little bit Kunstverstand und eine gewisse Sprach-Kompetenz erfordert- findet auf der Elb-Insel nicht statt. Es gibt hier genau zwei Kriterien, nach denen Kunst und Künstler beurteilt werden. A): Was erfolgreich ist, ist gut. B): Was sich „sozial“ gibt, ist gut. Die „Akademie einer anderen Stadt“  versuchte in eine andere Richtung zu gestalten bzw. zu diskutieren. Leider waren die beiden Damen so karrierebeflissen und so krass mit gewissen Vorurteilen behaftet, daß sie es, trotz massivster Unterstützung durch die IBA, nicht schaff-ten, von ihrem elitären Podest herunter zu kommen und Impulse von Wilhelsmburgern aufzunehmen, die einiges besser wissen als sie.  In Wilhelmsburger Medien ist schablonisierte Sprache nicht Ausnahme, sondern Regel. Sie wird ohne Humor wie auch ohne Ironie verwendet, als Pflichtübung halt, mit der dann (ohne daß sich irgendwer die Mühe machte, einmal darüber nachzudenken) angeblich „die Realität“ dargestellt wird. * In den letzten Wochen brachten das Wilhelmsburger Wochenblatt wie auch der Neue Ruf wieder unzählige, zumeist total einseitige Artikel über IBA und igs. Angeblich liegen „alle Arbeiten“ „voll im Zeitplan“  behauptet der Neue Ruf. Dazu kann ich nur anmerken: Die Umbaumaßnahmen bei dem am Veringkanal gelegenen und für die Künstler-Community vorgesehenen Gebäude, das lt. IBA spätestens im Frühjahr 2012 bezugsfertig sein wollte, haben noch nicht einmal begonnen. Ich erblicke in solchen Artikeln Gefälligkeits-Journalismus. Kritik, und sei sie noch so berechtigt, wird einfach ausgeblendet wird. Es geht um den PR-Effekt - nicht um Wahrheit. Die Künstlerin Maren Fiebig wurde mehrfach mit Artikeln bedacht. Sie betreibt das Insel-Atelier im Laurens Janssen-Haus. Zur Eröffnung kam sogar der Wilhelmsburger SPD-Chef Metin Hakverdi, um sich mit der Künstlerin und weiteren SPD’lern ablichten zu lassen. Maren Fiebig passt gut ins taktische Kalkül. Ihre Kunst ist „sozial“. Im Insel-Atelier können sowohl behinderte wie nicht-behinderte Menschen kreativ werden. Auf den Bildern kann man „etwas erkennen“, ja Dinge bzw. Gegenstände identifizieren. Dieser Realismus mit sozialer Komponente kommt gut an.  Vor allem läßt sich diese Art Kunst gut instrumentalisieren, sprich: vor politische Karren spannen. Und Geld aus irgendwelchen Töpfen gibts sicher auch. SPD, Wochenblatt und Neuer Ruf arbeiten Hand in Hand. So wird Kulturarbeit kalkulierbar. Daß es hier um Macht geht und die „Kunst“ instrumentalisiert wird – wer will das schon so genau wissen! Meine Prognose:  2013, spätestens 2014 wird Maren Fiebig einen Kunst-Preis erhalten.  Preise sind ein gutes Mittel, Künstler im Sinne von political correctness kalt zu stellen und zu erziehen.  --- Von denen, die hier antraten, es ANDERS zu machen, ist seit längerem nichts mehr zu hören und zu sehen. Der Anspruch der WCW-gallery (Mokrystraße) besteht oder bestand zumindest darin, Kunst NICHT nach den gängigen, schablonisierten und am „Sozialen“ angeschmiegten Kriterien zu „machen“ bzw. zu propagieren.  * Nächstes Jahr soll es, zu den Höhepunkten von IBA und igs, wieder einiges an Kunst&Kultur geben. Die igs verpflichtete eigens eine Kuratorin. NA und?? Ich sage: Wilhelmsburg ist, was Kunst und Kultur betrifft, tiefste Provinz.  In der Medienlandschaft finden sich keine Hinweise darauf, daß dies anders werden könnte. Hier grassiert ein Journalismus, dem es allein um Image-Pflege und die eigene Karriere geht. Gefälligkeits-Journalismus halt. * Gerne lese ich ab und an die SZ. Das intellektuelle Niveau ist überaus beachtlich. Ich sehe, was Journalismus AUCH sein könnte.   *R.S.* 

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