Samstag, 5. Januar 2013

Matthias Matussek : Wir Deutschen

Ich war gewarnt worden: Der Matussek, das is aber einer, Journalist!, und er war auch schon ganz anders, links und gegen Kapitalismus. Jetzt feiert er den Erfolg. *  Was andere über Schriftsteller und Bücher sagen, interessiert mich. Oft. Auch ich finde leicht was zu meckern und zu kritisieren, gerade bei SPIEGEL-Autoren. War das Nachrichten-Magazin früher nicht viel kritischer?  Was mir den Kauf des MM-Buchs leicht macht, ist erstens der Preis: 9,95 €. Da kann ich nicht viel falsch machen. Ausleihen ist problematisch, denn ich kritzle beim Lesen alles voll. Außerdem ist es spannend, jemandem beim Erfolg haben zuzusehen. Über zu viel Erfolg in Kunst und Literatur kann ich nicht gerade klagen. Statt mich mit Vorliebe an ver-kannte Genies, Übergangene und Außenseiter zu halten, wärs doch mal interessant, die entge-gengesetzte Richtung einzuschlagen. * Los geht’s! Das erste Kapitel heißt „Wir Deutschen“, die Kurz-Inhaltsangabe verlautbart „Einführende Erklä-rungen darüber, warum wir Deutsche prima sind und besonders die Briten uns gern haben können.“ Ich lese Satz für Satz, der Text ist verständlich geschrieben, schnell gelange ich in medias res, zwei Dinge fallen mir auf: Matussek meint es ernst mit dem, was er schreibt. Und dann ist da noch etwas, eine leichte Distanz, Humor, und das bei einem eigentlich schwierigen Thema. Nationalität ist doch was Todernstes, oder? Der Autor ertappt einige Briten bei ihrem Dünkel gegenüber Deutschland, aber das ist kein Grund traurig zu sein, auch nicht wütend. Matussek kontrolliert seine Affekte, mal läßt er hier was los, dann da, aber er verrennt sich nie – geht spielerisch mit Konflikten um, mit problematischen Situationen. Fördert Konflikte. Ohne zu vereinfachen. Er kann aus dem Vollen schöpfen, läßt immer wieder persönliche Erfahrungen einfließen, Auslandsaufenthalte mit Vor-liebe, unter anderem das macht seine Schreibe lebendig. Ich bin fasziniert. Und wie er dann Heinrich Heine präsentiert! Er fördert keine neuen Informationen zutage, bringt mir aber den Mann kompakt, ohne Schnörkel, in gutem Erzähl-Stil und mit Empathie auf die Finger. Was will ich mehr? Und überhaupt Empathie. Davon scheint MM eine Menge zu haben. „Stän-dig war er unglücklich verliebt,“ schreibt er über HH, „und wenn er es nicht war, versuchte er es zu sein, um Worte und Verse und Kapital daraus zu schlagen“. Wie praktisch. Wie zielbewusst! Skrupel kannte der Mann offenbar nicht. „Heine erfand das moderne Feuilleton. Er mischte alles zusammen, den historischen Essay, den Boulevardbummel, den Gewissensappell, die Rezension, und vergaß nicht den Tritt unter die Gürtellinie.“ Den Satz schreibe ich noch mal: „und vergaß nicht den Tritt unter die Gürtellinie“ (S. 37). ** Die insgesamt 23 Kapitel enthalten kluge, gewitzte, informative Essays bzw.  essayartige Texte, und in einigen von diesen eingebaut sind Inter-views, u.a. mit Harald Schmidt, Peter Sloterdijk, Heidi Klum. * „Heinrich Heine heißt das Vorbild des Autors, und dass er ihm in einigen Passagen nahe kommt, gehört zu den Schönheiten des Buchs. Noch schöner allerdings ist der Hang Matusseks zur polemischen politischen Inkorrekt-heit“. Schreibt ZEIT-Autor M. Naumann über Matusseks Buch. Dem habe ich nichts hinzu-zufügen.  Doch: Ich bin süchtig nach political non-correctness.    **RS**

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