Mittwoch, 30. August 2017

Alexandra Manske: "Kapitalistische Geister"

Der komplette Titel des Buchs von Alexandra Manske lautet "Kapitalistische Geister in der Kultur- und Kreativwirtschaft", Untertitel: "Kreative zwischen wirtschaftlichem Zwang und künstlerischem Drang". Frau Dr. Manske ist studierte Soziologin und forscht und lehrt an der Hamburger Universität

u.a. Die Autorin untersucht die Situation von Kreativen in Deutschland, die, von Ausnahmen abgesehen, oftmals unter schwierigen Bedingungen arbeiten: Entweder als "Freiberufliche", die beispielsweise ihr Geld bei Print- und/oder TV-Medien verdienen, oder als Angestellte zu höchst unterschiedlichen Konditionen in "Festanstellung" arbeiten, aber meist mit einem zeitlich beschränkten Vertrag ausgestattet sind. Einige befinden sich in (Teil-) Abhängigkeit vom Arbeitsamt, als sogenannte "Aufstocker". Manske beschreibt akribisch die Entwicklung der Situation von in der "Kultur- und Kreativwirtschaft" Tätigen und erforscht diese auch historisch mit dem Schwerpunkt auf den letzten 50 Jahren. Ihr besonderes Interesse gilt jenem Bereich, der als "Design" bezeichnet wird.
Ich war auf dieses Buch neugierig, weil ich selber Künstler bin und etliche Stufen einer entspre-chenden Vita und Karriere durchlaufen habe, u.a. lebte ich 15 Jahre als professioneller Puppenspieler. Ich sammelte auch Erfahrungen als Schriftsteller, Organisator von Lesungen und Ausstellungen (Einzel- und Gruppen-Ausstellungen, auch Präsentation eigener Bilder), Herausgeber von Zeitschriften und Anthologien, Radiomacher u.a. 
Das Buch lässt an wissenschaftlicher Genauigkeit m.E. keinen Wunsch offen: Begriffe werden ausführlich und genau beschrieben, auch die Geschichte der Begriffe, die Autorin webt und flicht ein dichtes und vielschichtiges Bild, das den komplexen von ihr untersuchten Bereich ausgiebig unter die Lupe nimmt. Und doch fehlt mir hier etwas. Frau Manske listet unter "Literatur" fast 700 Bücher bzw. Aufsätze auf, außerdem verweist sie auf 46 Internetquellen. Zwei ihrer Favoriten unter wissenschaftlichen bzw. philosophischen Autoren sind Pierre Bourdieu und Michel Foucault. Ich staune: Marx ist nicht aufgelistet. Sollte man Karl Marx nicht gelesen haben, wenn man "Kapitalistische Geister in der Kultur- und Kreativwirtschaft" verstehen und beschreiben will? Erstaunlicherweise wird aber Antonio Negri, ein italienischer Wissenschaftler, der wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, mit zwei Werken aufgeführt. Nicht erwähnt werden Kreative, die die Kultur- und Kreativ-Szene in diesem Land entscheidend beeinflusst haben und noch immer von großer Bedeutung sind; es sind  hochkarätige Künstler, die auch theoretisch Wichtiges zu sagen haben. Ich rede hier von Josef Beuys und Bazon Brock. Frau Manske schreibt von Paradigmenwechseln in Gesellschaftlich und Wirtschaft. Josef Beuys war einer, der mit seiner künstlerischen Arbeit und mit seinen Theorien etwa über die "soziale Plastik" und den "erweiterten Kunstbegriff" viel Aufsehen erregte und selber auch Paradigmenwechsel in den Diskursen über Kreativität, Kunst usw. erreichte bzw. heraufbeschwor. Dieser Mann wird nicht erwähnt unter "Literatur". Auch Bazon Brock nicht - ebenfalls ein hochkarätiger Künstler, fundierter Kenner der deutschen und internationalen Kunst-Szene sowie in theroretischen Fragen sehr versiert. In einer Fußnote wird Jackson Pollock erwähnt, ein amerikanischer abstrakter expressionistischer Maler. Beim Überfliegen der Literaturliste lese ich den Namen Tanja Dückers, eine Berliner Autorin. Und sonst?? - Mehr als zwei Dutzend staatlicher Publikationen wie "Bundesagentur für Arbeit (2013)...", "Bundesratsdrucksache 558/1/08..." werden aufgelistet. Sicher enthalten solche statlichen Publikationen Informationen, die zum Verständnis des Arbeitsmarktes wichtig sind. Aber von einem Buch über "Kapitalistische Geister in der Kultur- und Kreativwirtschaft" erwarte ich auch Hinweise auf Künstler und Autoren-Autorinnen (Valie Export ist eine wichtige feministische Künstlerin, auch Rosemarie Trockel wäre m.E. auch zu nennen), die kapitalistische, anti-kapitalistische und andere Geister in Bewegung gebracht haben und immer noch bringen. °°° Vielleicht hängt das von mir monierte Fehlen von bestimmten Hinweisen mit dem Herausgeber des Buches, der DGB-eigenen Hans-Böckler-Stiftung zusammen. Außerdem wurde die vorliegenden Studie vom "Bundesministerium für Forschung und Wissenschaft" gefördert. Man ahnt, daß die Verantwortlichen dort mit Künstlern wie Josef Beuys und Bazon Brock Probleme haben dürften. Immerhin entließ SPD-Mann Johannes Rau den Professor Josef Beuys aus dem Staatsdienst.  °°° Ich habe das Buch bis zur Seite 104 genau gelesen. Mehr schaffte ich nicht, da ich es zurückgeben musste. Interessant -auch für meine Denkweise- ist Kapitel 6. Berlin als Ort für künstlerisch-kreative Arbeit", das ich aus zeitlichen Gründen leider nur überfliegen konnte. * Und mit ebensolchen -fliegenden- Grüßen verbleibt freundlich der Rezensent.
                                                                                                 °° RS °° 

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