Montag, 14. März 2011

Berühmte Verbrecher - Pablo Escobar


Welche Faszination von mächtigen und zugleich kriminellen Persönlichkeiten ausgeht, zeigt nicht nur das Beispiel Josef Stalin. * In den 80-er und 90-er Jahren wurde Kolumbien durch die Aktivitäten der Drogen-Kartelle heftig durcheinandergewirbelt. Ein Hauptverantwortlicher dafür war Pablo Escobar (1949-93), der Boß des Medellin-Kartells. Er organisierte den lukrativen Drogenschmuggel per Flugzeug, Schiff, U-Boot etc. und befehligte Dutzende von Leibwächtern, Kurieren und Auftragskillern, die ihm zuarbeiteten. Der Mann war äußerst clever, entsprach er doch gleichzeitig dem Klischee des gutbürgerlichen Familien-Menschen. * 1984 kam es, nach der Ermordung des kolumbianischen Justizministers, zu einer Wende in der Landes-Politik. Bis dato war die Überstellung von Drogenhändlern an die USA nicht möglich. Nun wurden Gesetzesänderungen vorangetrieben, um Auslieferungen zu ermöglichen. Dagegen kämpften Escobar und seine Leute mit allen Mitteln an. U.a. kam es zum Sturm auf das Justizministerium, bei dem mehr als 100 Menschen ums Leben kamen, darunter 11 der 24 ranghöchsten Richter des Landes. Die Aktion wurde von Guerillas der M-19 ausgeführt, die dafür 2 Mill. US-$ erhielten. In der Folge wurde die Auslieferungs-Kampagne gestoppt. Escobar baute sein Imperium weiter aus. Er schien nicht greifbar zu sein. Dann passierte Unglaubliches. 1991 beugte sich der kriminelle Milliardär scheinbar dem Druck, "ergab" sich mit einigen Vertrauten und bezog ein eigens für ihn umgebautes Gefängnis, wo er von einigen seiner besten Leibwächter umgeben war und, trotz hunderten von staatlich besoldeten (und bestochenen) Wächtern seine Geschäfte weiterführte. Als er aus dieser Residenz floh, weil seine Auslieferung an die USA unabwendbar schien, steigerte sich der Krieg zwischen dem Medellin-Kartell, Polizei und Armee sowie Paramilitärs zu beinahe täglichen Massakern, bei denen von allen Seiten schwerste Verbrechen begangen wurden. 1991 kamen allein in der Stadt Medellin 7091 Menschen gewaltsam ums Leben. * James Mollison beschreibt in seinem Reißer "Escobar - der Drogenbaron" den Aufstieg und Fall des aus einfachen Verhältnissen stammenden Mannes vom Auto- und Grabstein-Dieb zum Auftrags-Killer, Drogenschmuggler, Kongreßabgeordneten und schließlich Staatsfeind Nr. 1. * Das reich bebilderte Buch zeigt von Bombenanschlägen verwüstete Gebäude, zerfetzte Leichname, tonnenweise beschlagnahmtes Kokain, Fotos von Killern und ihren Opfern. Es geizt auch nicht mit Aufnahmen von der bieder-folkloristischen Seite des Volkshelden. Er unterhielt u.a. einen Privat-Zoo mit Nilpferden und anderen exotischen Tieren. Sehr populär wurde er dadurch, daß er sich spendabel gegenüber kleinen und großen Fußballvereinen zeigte. Von einigen Landsleuten wird er noch heute wie ein Heiliger verehrt. Er ließ nämlich 400 Häuser ("Barrio Pablo Escobar") bauen, die er Armen und Obdachlosen kostenlos überließ. Er entwickelte sein Imperium also nicht nur kraft mörderischer Gewalt und Skrupellosigkeit, sondern nutzte, mit feinem Instinkt versehen, auch die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft und die Schwäche des kolumbianischen Staates aus, um sich beliebt zu machen. Er sprang dort in die Bresche, wo der Staat die Menschen mit ihren Bedürfnissen im Stich ließ. Wenn es um das nackte Überleben geht, fragen die Leute nicht unbedingt danach, woher das Geld kommt, mit denen ihre Häuser gebaut - erst recht nicht, wenn sie ihnen geschenkt werden. In manchen Unterkünften hängt das Konterfei Escobars noch 20 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod direkt neben Heiligen-Bildern: Kitsch pur! Wenn man die Geschichte verfolgt und das Phänomen Escobar zu begreifen versucht, wird die ihm noch heute von einigen entgegen-gebrachte Verehrung teilweise verständlich. * Der Autor weist relativierend darauf hin, daß P.E. ein Mythos wurde und manche Geschichten, die sich um ihn ranken, nicht zweifelsfrei zu belegen sind. * Vor zwei Jahren sah ich ins Wilhelmsburg einen jungen Mann, der ein poppig bedrucktes Pablo Escobar-T-Shirt trug. * Heyne-Verlag, 416 S., 16 € *R.S.*

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