Sonntag, 6. März 2011

Wilhelmsburg 1992: BILDWEGE


Der Stadtteil war schon mehrfach im Visier von Politikern, Stadtplanern usw., die MEHR aus diesem als "zurückgeblieben" eingestuften Teil Hamburgs machen wollten. 1991 gastierten hier zwei Fotografen mehrere Monate lang. Horst Hornig und Thomas Kummerow besuchten Menschen in ihren Wohnungen, an ihren Arbeits- und AusbildungsplätzeIIn, Schulen usw., um sie zu fotografieren. Diese wurden dann auf Plakatwänden, auf denen normalerweise für Zigaretten, Autos, Waschmittel usw. geworben wurde, in großformatigen s-w-Bildern gezeigt. Das waren weithin sichtbare Hinweise auf konkrete BewohnerInnen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichster Herkunft. Ein Projekt mit Signal-Charakter. Mit H.Hornig hatte ich später noch einmal kurz Kontakt, dann brach die Kommunikation ab. * 1992 erschien im Zusammenhang mit den Plakatwänden das Foto- und Text-Buch "Bildwege", herausgegeben von der "Kulturbehörde, Abteilung Stadtteilkultur, in Zusammenarbeit mit der Honigfabrik und der HfBK". Damals installierten wir vom Kunstbüro Wilhelmsburg ein paar Holz-Skulpturen an der Außenwänden der HoFa - die heute noch dort hängen (siehe Foto-Collage). Ich wollte sie schon längst abmontieren, aber nun denke ich: Bis 2013 können sie ruhig dort bleiben (obschon ich von der Qualität nicht mehr begeistert bin). * "Bildwege" enthält neben zahlreichen Fotos auch einige Texte, darunter einen von mir. Ich zitiere mich selber (1992): "In der letzten Zeit bin ich einige Male gefragt worden: "ist Wilhelmsburg scheint ja wohl im Trend zu liegen?" Mit anderen Worten: Ist dieser Stadtteil vielleicht dabei, "in" zu werden, "chic"? Gewinnt er in der Beliebtheits- und Wichtigkeits-Hierarchie Hamburger Stadtteile vielleicht einen oder zwei Plätze? Steigt er von einem der letzten Plätze vielleicht etwas höher, Richtung Mittelfeld? Kulturell scheint doch einiges zu passieren, gerade auf dem Gebiet der Musik, es gibt das sogenannte Insel-Rock-Festival... Aus New York hört man oder sieht man im Fern-sehen, daß Künstler in heruntergekommene Viertel ziehen, dort Ateliers und Galerien eröffnen, und nach und nach ziehen sogenannte "gehobene" Restaurants, Dienstleistungsge-werbe u.ä. nach. Die Gegend wird "in", die Mieten gehen rauf, Spekulanten können sich gegenseitig wie Dagobert Duck auf die Schultern klopfen und in Geld baden. Man muß nicht nach N.Y. schauen, um zu wissen, was Trendsetting heißt und bedeutet. Hier in Hamburg bieten Ottensen und die Gegend um die neue Flora Negativ-Beispiele dafür, wie Stadtviertel oder Teile davon herausgeputzt werden, ... aber die ansässige Bevölkerung hat letztlich davon nichts." - Soweit Ausschnitte aus dem Original-Text eines Wi.burger Künstlers von 1992. * Damals wurde die Elb-Insel auch schon als ein "Problem"-Gebiet gesehen, das Wörtchen vom "sozialen Brenn-punkt" machte die Runde; der Begriff "Gentrifizierung" war noch unbekannt. Im Unterschied zu heute gab es noch eine gewisse Besonnenheit und Klugheit seitens der offiziellen Politik, gerade auch der Kulturbehörde. Was damals - aus Sicht der Stadt-Oberen - offenbar NICHT gelang, versucht heute die IBA mit der Brechstange. * Obwohl die IBA inzwischen einen Hauch Gegen-wind bekommt - sie wird den eingeschlagenen Weg des unsensiblen Hauruck! zugunsten eines möglichst schnell sichtbaren Erfolgs bis 2013 "unbeirrt" fortsetzen. Dieses Städteplanungs-Format, das sich selber zum Standard erklärt, ist offenbar unbeirrbar. Und es wird ihr leicht gemacht. Das bißchen Opposition hier kooperiert kaum miteinander, nimmt bestenfalls Notiz voneinander (teilweise nicht einmal das ...). Ansonsten ist sich jeder in der grassierenden Goldgräberstimmung der nächste. * Das Buch (isbn 3-926174-44-7; 148 S.) ist längst vergriffen, dürfte aber von Interessierten in der Wilhelmsburger Geschichtswerkstatt (Honigfabrik, Margret Markert) eingesehen werden können. *Raimund Samson*

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