Mittwoch, 16. März 2011

Peter Sloterdijk - "Du mußt dein Leben ändern"


Eine Freundin, der ich das 2009 erschienene Buch empfohlen hatte, sprach mich an: "Mensch, ist das kompliziert! Damit kann ich kaum was anfangen." Meine Antwort ging in diese Richtung: Kompliziert mag es tatsächlich sein, auch wenn es in einer -nach meiner Einschätzung- gut verständlichen Weise (:: für einen Philosophie-Laien wie mich) geschrieben ist. Schon das Thema, um das es geht, ist alles andere als einfach. Jedes menschliche Leben ist kompliziert - es sei denn, man reduziert es auf ein paar Begriffe wie "Arbeit", "Sex", "Erfolg", "Gesellschaft", "Politik" usw. und reflektiert dann systematisch, wobei man diese Begriffe als Orientierungshilfe nimmt. Die Freundin war offenbar einem Mißverständnis aufgesessen und hatte eine Art Gebrauchsanweisung oder praktischen Ratgeber erwartet. Dies ist "Du mußt dein Leben ändern" keineswegs - auch wenn der Titel ähnliches suggerieren mag. * Sloterdijk bezieht sich damit auf eine Gedichtzeile von Rainer Maria Rilke. Des Weiteren - ich rede von den ersten Kapiteln - spinnt er in seinen (auch) erzählerischen Diskurs Nietzsche ein, Kafka und Cioran, einen (Exil-) rumänischer Schriftsteller, der von manchen zu den "Existentialisten" ge-rechnet wird. * Zu Beginn seiner Darlegungen spricht der Autor von der "anthropotechnischen Wende" und formuliert den provokativen Satz "Ein Gespenst geht um in der westlichen Welt - das Gespenst der Religion". Nun gibt das Buch keinen Anlaß, im Autor einen "Atheisten" zu sehen oder einen Menschen, der ideologischer oder dogmatisierender Weise Position bezieht. Die grundlegende Aussage, die ich aus der Lektüre zog, war: Es gibt sehr vieles, das eingeübt werden kann. Dem Begriff des "Einübens" kommt in dem Buch eine zentrale Bedeutung zu. Denk- und Vorstellungsweisen, Haltungen gegenüber dem Leben, der Gesellschaft usw. sind hinterfragbar - und neue, andere Denk- und Vorstellungsweisen können eingeübt werden. * Ich habe dieses Buch mit einigem Gewinn für mich gelesen. Die unaufgeregte Art des Aufzeigens und Argumentierens empfinde ich als angenehm. Sie beruhigt mich geradezu. Zudem finde ich, bei bestimmten Fragestellungen und Problemen, immer wieder Aspekte, die für mich neu sind, überraschend. Das Buch hat auch insofern mein Leben verändert, als ich durch das Lesen einen Einstieg fand, mich auf philosophische Fragen überhaupt einzulassen. Meine Lese-Erfahrungen bis dato waren nicht gerade fruchtbar. Es gibt Philosophen, deren Sprache so verklausuliert ist, daß ich sie nicht verstehe (z.B. Kant). * Irgendwann werde ich "Du mußt dein Leben ändern" wohl ein zweites Mal lesen. Es bietet Ansätze/Anregungen, bei sich selber zu forschen und weiter zu denken in einer äußerst komplexen Themen-Welt. * Ich empfehle das Buch allen, die über ein Mindestmaß an Bildung verfügen und ihr eigenes Leben nicht als abgeschlossen betrachten. ; 730 Seiten, isbn 978-3-518-41995-3; Suhrkamp *R.S.*

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