Mittwoch, 30. März 2011

Dieter Kunzelmann; "Leisten Sie keinen Widerstand!"


Bereits 1998 erschien die Kunzelmann-Autobiografie, untertitelt "Bilder aus meinem Leben". Wer bisher nur das Klischee des Berufs-Chaoten, Kommune 1-Gründers, Spaßguerilla-Apologe-ten, gesuchten Terroristen etc. kannte, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Angefangen bei seiner Kindheit in katholischem Milieu -der Meßdiener trug ratzekahl geschnittenes Haar a la Wehrmacht- über Erfolge als Tischtennisspieler (bayrischer Jugendmeister 1956) bis zu den spektakulären Aktionen, mit denen er ab ca. 1967 für Krawall und erhöhte Aufmerksamkeit (vorsichtig ausgedrückt) bei Polizei und Justiz sorgte, bietet der 1939 Geborene einen überaus vergnüglichen und abwechslungsreichen Reigen seines Schaffens, Protestierens, Rollenspiels. Ich bekomme einen guten, sicher auch gut kalkulierten Eindruck in das Denken der lebenden Legende. Ein echter Nachfahre Till Eulenspiegels, aber auch Bakunins und anderer Umstürz-ler. Eine Ikone des linksradikalen Widerstands in der BRD, an Witz und Erfindungsreichtum Fritz Teufel in nichts nachstehend. "Leisten Sie keinen Widerstand!" ist reich bebildert und spannend geschrieben. * Was ich bisher nicht so genau wusste: D.K. begann seine Laufbahn als Künstler: Mitglied der Gruppe "Spur", Protagonist der "Subversiven Aktion", den Situationis-ten nahe stehend. Mit dem bürgerlichen Kunst- und Kulturbetrieb hatte er schon damals nichts am Hut - es sei denn als Vorlage, um zu stören. In der Berichterstattung der Medien steht das Clowneske oft im Vordergrund - dabei war (oder ist? - Keine Ahnung, was er heute macht) Kunzelmann viele Jahre ein ernst zu nehmender Politiker: Abgeordneter der AL, Kandidat der KPD etc. Aber: Wo hört Spaß auf und wo fängt Ernst an? Bei D.K. mischt sich beides in kaum ergründlicher Weise. Das macht ihn für gewisse Justizkreise gefährlich, für Künstler und Linke faszinierend, und für viele Normalbürger verabscheuungswürdig.
Hadayatullah Hübsch, der 1969 ein paar Monate in der K1 wohnte, beschrieb mir D.K. als Despoten. "Der wollte sogar vorschreiben, welche Zigarettenmarke wir rauchen sollten." Au-toritäres Verhalten macht den Mann nicht unbedingt sympathisch. Seine Verdienste um die linksradikale Bewegung bleiben unbestritten. * "Phantasie an die Macht" lautete ein Slogan der damaligen Bewegung. Kunzelmann erstritt sich immer wieder ein bißchen Macht. Aber da ihm diese auf Dauer langweilig wird, und mit seiner Ideologie kollidiert, probiert er wieder etwas Anderes aus. Vielleicht liege ich in meiner Einschätzung auch falsch. Um es genau zu wissen, müsste ich den Mann wohl selber fragen. Ob er wohl ernsthaft antworten würde? * 208 Seiten, Transit-Verlag, isbn 3-88747-132-6

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